Kriegsbedingt verlagert

Kriegsbedingt verlagert

Die Unterzeile ist eine Meisterleistung an harmlos daherkommender politischer Brisanz. „Europa ohne Grenzen“ lautet der Untertitel zu der Ausstellung „Merowingerzeit“, die am heutigen Abend im Moskauer Puschkin-Museum eröffnet wird. Es geht um das „dunkle“ Europa des 5. bis 8. Jahrhunderts, das da in seinen reichen archäologischen Fundstücken vorgeführt wird, ein Europa, in dem die Vorstellung von festen Grenzen keinen Sinn hat, weil es Siedlungs- und Wanderungsräume rivalisierender Völker gab, die im weiten eurasischen Gebiet herumzogen und nur kurzzeitige Herrschaftsgebiete schufen.

Ein „Europa ohne Grenzen“ wünschen sich heute alle Kulturpolitiker. Doch nie hat es striktere Grenzen auf unserem Kontinent gegeben als in den Jahrzehnten nach dem Ende des NS-Eroberungswahns. Eine bis heute nicht bereinigte Folge dieser gewaltsamen Umwälzung der europäischen Ordnung ist die Frage der Beutekunst oder Trophäenkunst, je nach Sichtweise. Im Amtsdeutsch sind es „kriegsbedingt verlagerte Kulturgüter“. Die Merowinger-Ausstellung findet pikanterweise in einem Museum statt, dessen Leiterin, die eiserne Lady des russischen Museumswesens Irina Antonowa, sich stets als Hüterin des sowjetisch-russischen Anspruchs auf Einbehaltung der 1945 erbeuteten Schätze deutscher Museen verstanden hat. Noch pikanter ist, dass diese Ausstellung zu einem erheblichen Teil aus solcher Beutekunst besteht – Objekten, die einst dem Berliner Museum für Vor- und Frühgeschichte (MVF) gehörten und nach 1945 als verschollen gelten mussten, weil sich die russische Seite erst sehr allmählich dazu durchrang, ihre Geheimdepots wenigstens teilweise zu öffnen und von Berliner Museumsleuten sichten zu lassen.

Nur kann diese, von deutschen und russischen Wissenschaftlern gemeinsam erarbeitete Ausstellung zwar in Russland, nicht aber in Deutschland gezeigt werden. Der Eigentumsanspruch, den die Bundesrepublik in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht und zudem in gesonderter Bekräftigung durch die deutsch-russischen Freundschaftsabkommen der neunziger Jahre erhebt, müsste hierzulande nach unumstößlicher Rechtslage zur Beschlagnahmung der 1945 abtransportierten Schätze führen. Was allein ankommt, ist der dreisprachig publizierte Katalog.

Der immerhin ist ein Meilenstein: ein Meilenstein auf dem Weg zumindest zur wechselseitigen Bekräftigung der unterschiedlichen Rechtsauffassungen. Bekanntlich hat sich die russische Duma unter dem aufwallenden Nationalismus der Putinzeit dazu hinreißen lassen, alle Beutekunst kurzerhand zu verstaatlichen – einen Schritt, vor dem selbst Stalin wohlweislich stets zurückgeschreckte. Das ist nun, allen in den vergangenen 15 Jahren gehaltenen Sonntagsreden zur wiedergewonnenen deutsch-russischen Freundschaft zum Trotz, die bittere Ausgangslage: der Nullpunkt, von dem aus überhaupt erst wissenschaftliche Arbeit möglich wird. Klaus-Dieter Lehmann, der Stratege an der Spitze der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, hat von Anfang an darauf gesetzt: die Politik in ihrer derzeit unauflöslichen Konfrontation herauszuhalten und stattdessen beharrlich den fachlichen Austausch zu suchen. Der Merowinger-Katalog ist da ein Meilenstein, weil er, anders als vor zehn Jahren bei dem mit Siegerattitüde im nämlichen Puschkin-Museum zur Schau gestellten Berliner Schliemann-Goldschatz, erstmals und eben auch für die russischen Leser die Herkunft der gezeigten Stücke benennt. „Kriegsbedingt verlagert. Bis 1945 MVF Berlin“ heißt es schlicht – und hundertfach. Darum allein geht es derzeit: zu benennen, was woher stammt und wohin gelangt ist. Der Fortschritt ist eine Schnecke, und im Falle der Beutekunst ein noch langsameres Wesen. Aber dass es sich überhaupt bewegt, und seien es nur die wenigen Millimeter eines gemeinsamen, ungeschminkt die politischen Umstände und Differenzen benennenden Katalogwerkes, ist bemerkenswert genug. Hinter den Eröffnungsabend am heutigen Montag werden künftige Veranstaltungen zur Beutekunst nicht mehr zurückfallen dürfen.

Quelle: tagesspiegel.de

 

 

В. Богунова ã, Москва, 2002 г.

А.Кубрин. Герб РФ, 1995. Маркетри.

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