"Von Ekelgefühlen erschüttert"In der "Welt" erklärt Mario Vargas Llosa den UN-Bericht über die globale Wasserkrise zur Pflichtlektüre. In der "NZZ" beklagt der Verleger Jochen Jung, dass sich die deutschsprachigen Verlage immer ähnlicher werden. Alle freuen sich über den Europäischen Filmpreis für "Das Leben der anderen" . Die Welt, 04.12.2006 Mit Erschütterung hat Mario Vargas Llosa den UN-Bericht "Nicht nur eine Frage der Knappheit: Macht, Armut und die globale Wasserkrise" gelesen, den er trotz seiner bürokratischen Prosa zur Pflichtlektüre erheben möchte: "Liest man die Studie, lautet die erste Erkenntnis: Das Flaggschiff von Zivilisation und Fortschritt ist nicht das Buch, das Telefon, das Internet oder die Atombombe, sondern die Toilette. Wo das menschliche Wesen Darm und Blase leert, bestimmt darüber, ob es in der Barbarei der Unterentwicklung versunken oder im Aufstieg begriffen ist. Die persönlichen Konsequenzen dieser einfachen, transzendentalen Tatsache sind ehrfurchtgebietend. Ein Drittel der Weltbevölkerung - etwa 2,6 Milliarden Menschen - weiß nichts von Toiletten, Latrinen und Klärgruben und verrichtet seine Notdurft unter Bäumen, neben Bächen und Quellen oder in Tüten und Blechbüchsen. Und eine weitere Milliarde verwendet zum Trinken, Kochen und Waschen Wasser, das mit menschlichen und tierischen Fäkalien verseucht ist." Nach der Vergabe des Europäischen Filmpreis (als bester Film wurde Florian Henckel von Donnersmarcks "Das Leben der Anderen" ausgezeichnet)sieht Hanns-Georg Rodek aufregende Zeiten bevorstehen. Allerdings: "Das große Problem des europäischen Kinos besteht darin, dass sich sein Publikum zwar für heimische Produkte interessiert - siehe die wachsenden Marktanteile der Deutschen, Spanier, Franzosen im eigenen Land -, aber kaum für Filme seiner europäischen Nachbarn." Weiteres: Ulrich Weinzierl berichtet vom vollen Erfolg einer Guerilla-Aktion in Salzburg: Ein Bürgerbegehren gegen die Verschandelung der Stadt durch moderne Kunst wurde mit 90 Prozent der Stimmen angenommen. Besprochen werden Jürgen Goschs geschickt zwischen "Rampensauerei und psychologischer Finesse" changierende Inszenierung von Yasmina Rezas "Der Gott des Gemetzels", die Hermann-Nitsch-Retrospektive im BerlinerMartin-Gropius-Bau und Peter Mussbachs von Daniel Barenboims wiederbelebte Inszenierung des "Doktor Faust" an der Berliner Staatsoper. Die Tageszeitung, 04.12.2006 "Statt von Ekelgefühlen erschüttert oder vom Pomp überwältigt zu werden, verblüfft die enorme Ansammlung von pseudosakralem Kitsch", gibt Brigitte Wernburg nach dem Besuch der großenHermann-Nitsch-Retrospektive im Berliner Martin-Gropius-Bau leicht angeödet zu Protokoll: "Alles ist fürchterlich unoriginell: Die Paraphernalia, die entweder aus dem Operationssaal oder vom Hochaltar stammen; das dionysisch-apollinisch zweigeteilte Ritual der orgiastischen Enthemmung und der nachfolgenden kathartischen Läuterung; die eingesetzten Mittel wie Tier- oder Menstruationsblut und Eingeweide, die uns den Fakt unserer vermeintlich unsauberen Geburt - 'inter urinas et faeces nascimur' - nachdrücklich vor Augen führen. Nur schwer kann man sich des Eindrucks erwehren, einem wirklich exquisit einfältigen Gemüt zu begegnen." Besprochen werden der Sammelband zur revolutionären 70er-Jahre-Postille "Agit 883" und das neueAlbum "Ich" des Krawallrappers Sido. Frankfurter Rundschau, 04.12.2006 Rudolf Maria Bergmann schwärmt von der Prof. Fleischmann-Dreifachsporthalle, die Eichstätts Diözesanbaumeister Karl Frey auf dem Gelände des Canisius Konvikts in Ingolstadt errichtet hat. Besprochen werden eineAusstellung von Christian Boltanski amInstitut Mathildenhöhe Darmstadt und Mauro BigonzettisChoreografie "I fratelli" am Staatstheater Stuttgart. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.12.2006 Ganz selig berichtet Michael Althen von der Verleihung der Europäischen Filmpreise in Warschau, wo deutsche Filme - vor allem Florian Henckel von Donnersmarcks Stasi-Film "Das Leben der anderen" - kräftig abräumten und die anhaltende Vitalität des neuen deutschen Kinos belegten. Heinz Berggruen singt eine kleine Ode auf das Komma. Mark Siemonsglossiert den Umstand, dass die chinesische Parteihierarchie jetzt Management-Coachingmethoden anwendet, um ihre Strukturen zu modernisieren. Joachim Müller-Jung schreibt über die bedrohliche Zunahme der Diabetes-Krankheit in der Welt, besonders übrigens in der arabischen Welt. Leo Wieland beobachtet mit freundlichem Staunen den greisen spanischenKommunisten Santiago Carrillo, der nichts bereut, bei der Vorstellung seiner Memoiren. Andreas Rossmann besuchte eine deutsch-türkische Buchmesse in Essen. Kerstin Holm berichtet leider nur ganz kurz über den Sieger des Petersburger Architektenwettlaufs um den Auftrag für eine Gasprom-Repräsentanz, das Londoner Büro RMJM (hier der Entwurf), und sie kolportiert das Gerücht, dass die Architekten eine fünfstellige Dollarsumme hinlegen mussten, um überhaupt am Wettbewerb teilnehmen zu dürfen. Jordan Mejias liest amerikanische Zeitschriften, unter anderem Vanity Fair über den boomenden Kunstmarkt (mehrhier) und Wired über dieChancen von Youtube. Andreas Platthaus gratuliert dem niederländischenAutor Geert Mak zum Sechzigsten. Auf der Medienseite stellt Jürgen Dollase die Feinschmeckerzeitschriften Apero undPort Culinaire vor, die ihn beide nicht ganz überzeugen. Und Oliver Jungen berichtet über das Fernsehfilmfestival inBaden-Baden. Für die letzte Seite besucht Andreas Rosenfelder die ComputerspielfirmaFrogwares, die in Kiew der internationalen Spieleindustrie zuarbeitet. Catherine Newmark stellt das"Bildungs-Werk" des berlin-türkischen Unternehmers Nihat Sorgec vor, das türkischstämmigen Jugendlichen zu Ausbildungsplätzen verhelfen will. Und Paul Ingendaay porträtiert denLyriker Antonio Gamoneda, der den diesjährigen Cervantes-Preis erhalten hat. Besprochen werden die deutschsprachige Erstaufführung von Yasmina Rezas neuem Stück "Der Gott des Gemetzels" in Zürich ("Um es in drei Worten zu sagen: ein geniales Stück. Ein einfaches Stück. Zwei Damen, zwei Herren, eine Dekoration. Aber tausend Pointen", schreibt Reza-Fan Gerhard Stadelmaier), Busonis Oper "Doktor Faust" an der Berliner Staatsoper, Michael Frayns Stück "Verdammt lange her" am Berliner Renaissance-Theater, ein Konzert des Pianisten Krystian Zimerman und Sachbücher, darunter ein Band über chinesische Malerei von Francois Jullien und Untersuchungen zur Hirnfoschung von Michael Hagner. Neue Zürcher Zeitung, 04.12.2006 "Besteht ein Verlag nur aus Vertrieb und Buchhaltung? Gibt es nicht auch noch das Lektorat, das zusammen mit dem Verleger für ein Programm steht, für eine ästhetische Linie, für ein literarisches Umfeld, in dem die Dinge zueinander passen?" fragt der frühere Verlagsleiter Jochen Jung und beklagt, dass sich die Programme der großen Verlage immer mehr einander gleichen. "Hinzu kommt, dass der Druck der großen Buchhandelsketten und Barsortimente die Verlage zu nahezu gleichem Marktverhalten zwingen, so dass man sich fragen kann, ob wir nicht längst ein einziges Verlagskonglomerat vor uns haben. So markant viele Verlegerpersönlichkeiten auch sind - und der eigenwillige Verleger ist ja keineswegs ausgestorben -, so verwechselbar, ja austauschbar scheinen oft ihre Programme." Weiteres: Marc Zitzmann schildert den Weg der ukrainischen Familie Kowrin von der Auswanderung nach Paris bis zum Erhalt einer Aufenthaltserlaubnis, der "carte de sejour". Derek Weberberichtet von der Eröffnung des "Mariinsky 3", dem neuen Konzerthaus des St. Petersburger Mariinsky-Theaters. Barbara Villiger Heilig hatte einenamüsanten Abend im Schauspielhaus Zürich bei der deutschsprachigen Uraufführung von Yasmina Rezas neuem Stück "Der Gott des Gemetzels" in der Inszenierung von Jürgen Gosch. Besprochen werden auch die Ausstellung "Ikone der Moderne", mit der das Dessauer Bauhaus nach zehnjähriger Sanierungszeit wieder eröffnet, und einMozart-Konzert des russischen Geigers Maxim Vengerov. Süddeutsche Zeitung, 04.12.2006 Nicht das von Coop Himmelb(l)au für die neue Europäische Zentralbank entworfene Eingangsbauwerk der Frankfurter Großmarkthalle ist skandalös, schreibt Ira Mazzoni, sondern die jahrzehntelange Vernachlässigung des Baus durch die Stadt. "Man kann die Gestik des Eingangsbauwerkes bemängeln, man kann den dekonstruktivistischen Eingriff als leere Formel ablehnen, aber dem, was vom Denkmal übrig blieb, schadet sie nicht. Im Gegenteil, sie eröffnet neue Perspektiven auf den Ingenieurbau. Dabei wird man den berühmten Schalen näher kommen als je zuvor. Der Frankfurter Streit um die Großmarkthalle ist kein Denkmalstreit, sondern eine Abrechnung mit dem Dekonstruktivismus in seiner konventionalisierten Form." Weitere Artikel: Fürs neue Jahr und im Vorfeld der Oscars verspricht Fritz Göttler politisch wie ambitionierte Filme aus Hollywood. Außerdem kann er vom Erfolg von Florian Henckel von Donnersmarck beim Europäischen Filmpreis berichten, der in Warschau verliehen wurde. Thomas Steinfeld meldet, dass die dänische Carlsberg Glyptotek von italienischen Anfragen nach der dubiosen Herkunft ihrer Etruskerkunst nichts hören will. Egbert Tholl nennt die Träger des BMW-Kompositionspreises der Münchener Reihe "musica viva", der an Komponisten unter 40 Jahren geht. Im Medienteil referieren Hans-Jürgen Jakobs und Claudia Tieschky die ARD-Pläne von einer Vereinheitlichung der strauchelnden Politikmagazine. Besprochen werden eine in Zusammenarbeit mit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zusammengestellte Ausstellung über den Archäologen Karl Richard Lepsius in Kairo, eine Schau mit Stücken aus der Literatursammlung von Gerhard Wolf in der Berliner Akademie der Künste, die Uraufführung von Franzobels Partisanen-Stück "Hirschen" am Schauspielhaus Graz, eine DVD-Kollektion mit Filmen von Claude Chabrol aus den Jahren 1968 bis 1970, Brad McGanns Film "Als das Meer verschwand", und Bücher, darunter Bernd Roecks Bildanalyse "Mörder, Maler und Mäzene", Roberto Bolanos Erzählungsband "Der unerträgliche Gaucho" und Ayaan Hirsi Alis islamkritische Autobiografie "Mein Leben, meine Freiheit" (mehr in unserer Bücherschau des Tages ab 14 Uhr). Quellen: spiegel.de
В. Богунова ã, Москва, 2002 г. |
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